Demokratischer Streit

Neben Sterbehilfe, Folter und Todesstrafe ist die Frage nach der geeignetsten Regierungsform eines jener immergrünen Themen, zu denen sich jederzeit eine lebhafte und interessante Debatte führen lässt. Was ist besser – eine starke Diktatur oder eine schwache Demokratie? Für einen Diktator vielleicht keine schwierige Frage.

Geregelte Auseinandersetzung

Streit kann demokratisch sein, muss es aber nicht. Wer da etwa herginge und behauptete, die Prügelei sei nur eine Fortsetzung der Debatte mit anderen Mitteln, vernachlässigte den großen Unterschied zwischen den beiden: Während bei ersterer ohne klare Regelvorgaben gestritten wird und am Ende meist physische Kraft über den Ausgang entscheidet, geht es bei letzterer vor allem darum, gegenläufige Vorstellungen in einen inhaltlichen Wettstreit miteinander treten zu lassen. In der Gesellschaft soll eine Debatte ein Austausch von Argumenten sein, ein Prozess, in dem beide Seiten an Einsicht gewinnen und an dessen Ende möglichst ein sinnvolleres Ergebnis steht, als es ohne Debatte der Fall gewesen wäre. Jeder soll dabei die Möglichkeit haben, sich an diesem Prozess zu beteiligen und ihn um eine Stimme zu bereichern.

Was in der demokratischen Gesellschaft im großen Rahmen die Geschicke aller bestimmt, wird bei uns im Kleinen auf freundschaftlich-sportliche Weise praktiziert. Im englischen Raum können debating societies bereits auf eine lange Tradition zurückblicken, aber auch in Deutschland gewinnt die Debattierszene an öffentlicher Wahrnehmung, wie zahlreiche Berichte in den Medien belegen.

Der Gewinn

Debattieren ist dabei nicht gleich Diskutieren, es geht zunächst darum, einer klaren Prozedur folgend entgegengesetzte Standpunkte aufeinanderstoßen und den Konflikt möglichst klar werden zu lassen. Die eigene Position, die per Losverfahren zugeteilt wurde, muss bis zum Ende der Debatte möglichst überzeugend vertreten werden. Aus einer guten Debatte geht man mit einem besseren Verständnis sowohl der eigenen wie auch der gegnerischen Position hervor – das Feld der Argumente wurde „aufgespannt“. (Der Grieche und die Griechin nennen dieses Vorgehen agonal, im Gegensatz zum symbioleutischen.)

In einer demokratischen Gesellschaft ist die Fähigkeit zu debattieren zentral. Um gehört zu werden und positiven Einfluss zu haben, müssen die eigenen Argumente und Standpunkte deutlich und kraftvoll vorgetragen werden. Gleichzeitig zählt die Fairness im Streit und die Bereitschaft, Argumente zu überprüfen, anstatt auf ein bloßes Durchboxen von Interessen zu setzen.

Eine lebendige Debattierkultur ist für eine funktionierende, starke Demokratie unabdingbar, denn gerade im offenen Wettstreit der Ideen liegt ja ihr besonderer Vorteil im Vergleich etwa mit einer Diktatur. Mit unseren regelmäßigen und öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten wollen wir gemeinsam mit anderen Clubs dazu beitragen, dass die Entwicklung in diese Richtung an Kraft und Sichtbarkeit gewinnt.